We proudly present Philipps Kolumne #8, die sich voll und ganz alpinen Bergsteiergrüßen widmet
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Im Alpenraum herrscht nämlich das ungeschriebene Gesetz, dass oberhalb von 1000 Metern Höhe konsequent geduzt wird. Und das auf verschiedenste wohl- und unverständlichste Art und Weise. Unser sprachgewandter Autor Philipp hat für uns die schönsten alpinen Bergsteigergrüße zusammengetragen!


Philipps Bergkosmos Kolumne #8:
Servus, Grüezi und Hallo: Alpine Bergsteigergrüße

Vorsicht, steile These: der deutschsprachige Alpenraum ist anglophiles Terrain. Die englische Sprache lässt man hier aufleben! Schnauf, japs. Die Steilheit der These jagt den Puls nach oben, verlangt Seil und Kletterhaken. Wovon ich – blutiger Anfänger – weder über das eine, noch das andere verfüge. Und dennoch begeben ich mich in solch rhetorisch abschüssiges Terrain. Ist das blanker Leichtsinn? Ich kann euch beruhigen, mit der richtig Erklärung ergibt es leicht Sinn.

Im Englischen – you know it – steht das „you“ an der Tagesordnung, ganz gleich, ob im Gespräch mit engen Freunden oder ungeliebten Unbekannten. Und im Alpenraum? Herrscht das ungeschriebene Gesetz, dass oberhalb von 1000 Metern Höhe konsequent geduzt wird. Auch hier also, kein lästiges Grübeln über die korrekte Anredeform. Englische Verhältnisse! Das Gesetzt ist freilich dermaßen ungeschrieben, dass manche stur von 1300 Metern Höhe als Duz-Grenze fabulieren, andere setzen den Maßstab gar bei 1800 Metern an. Ja was denn nun? Da wirst du, respektive werden Sie (auf 1100 Metern?), doch narrisch!

Copyright: Philipp Irber
Und täglich grüßt das Murmeltier. Foto Copyright: Philipp Irber

Authentische Berggrüße: Bloß nicht auffallen

Noch närrischer wird, wer seinem Gegenüber voller Enthusiasmus und recht wohlklingend landestypische Bergsteigergrüße entgegenschmettern möchte – in Tirol, Bayern, der Schweiz oder in Liechtenstein. Mein Kalkül ist dabei stets das gleiche: bloß nicht als Tourist auffallen! Die Taktik geht krachend schief, sobald mich der authentisch Gegrüßte ins Gespräch verwickeln möchte… nachdem ich zuvor doch bereits mein einzig klangsicher im Dialekt beherrschtes Wort vorgetragen habe. Rien ne vas plus, nichts geht mehr. Glück hat in solchen Fällen, wer in der Südschweiz mit Tschau (vom italienischen ciao) grüßt – denn das geht auch als Abschiedsgruß durch und bedarf keiner weiteren Konversation.

Wer doch interagiert, dem sei verraten: Konversation + Schweiz = Verwechslungsgefahr! Beispiel gefällig? Wer im Deutschen Heu hört, denkt glasklar an getrocknete Biomasse von Grünlandpflanzen, selbst wenn er es nicht so dudenhaft umschreiben mag. In der Schweiz gibt es zwar Stroh wie Heu, massenhaft, doch massiv heufiger, Verzeihung, häufiger hört man das Wörtchen Hoi dort als landestypischen Bergsteigergruß, der sich seinen Weg auch ins Nahe Vorarlberg und bis nach Südtirol gebahnt hat. Kein Wunder, galt Hoi laut Atlas der schweizer Volkskunde um 1925 doch als, Zitat, „neueste Kinder- und Knabenmode“, quasi das Jugendwort des Jahres. Hoi, denkt sich da der Schwabe, der den Begriff – Vorsicht, erneute Verwechslungsgefahr – als Ausruf des Erstaunens benutzt.


Grüezi geht immer: Bergsteigergrüße in der Schweiz

Man muss die Nadel nicht im Hoihaufen suchen, um auf einen weiteren geläufigen Schweizer Bergsteigergruß zu stoßen: in jeder Höhenlage vernimmt man ein knappes Grüezi (östliches Schweizerdeutsch), ein ausgedehntes Grüezi wohl, Grüezi mitenand oder im westlichen Schweizerdeutsch das ungewohnte Grüessech. Weil Grüezi wohl wohl stets mit Wohlwollen vernommen wird (und dieser Halbsatz zu schön klingt, um wahr zu sein), gerät schnell in Vergessenheit, dass die Grußform das alpine Duz-Gesetz ad absurdum führt. Hoi (schwäbischer Kontext)!

Ja, es ist wahr, Grüezi, das traditionell zwischen dem Guete Morge und Guete Aabig zum Einsatz kommt, hat seinen Ursprung in der Abkürzung „Gott gruez-i“ („Gott grüße Euch“) und bedeutet in seiner heutigen Neuinterpretation nichts anderes als „ich grüße Sie“. Wer also alpinpolitisch korrekt Duzen möchte, der verwendet in der Schweiz das selten gehörte Grüezdi. Oder eben – deutlich hipper – hoi oder salü (in Variationen gerne auch sali, sälü, soli). Eine Zusammenfassung auf Schweizerdeutsch gefällig? „Gott grüezi hört-me nümme  gërn, salü und servus sind modërn!“


Servus-Lawinenwarnstufe 4 in den Münchner Hausbergen

Und schon landen wir beim Servus, dem klassischsten aller klassischen Bergsteigergrüße der Bayerischen Alpen. Wer in den Münchner Hausbergen unterwegs ist, sagen wir an Roß- und Buchstein, hört ihn geschätzt 243 Mal am Tag. Und das meist in astreiner, glasklarer Aussprache, was unzweifelhaft auf die Herkunft des Grüßenden aus der nahen Landeshauptstadt hindeutet. Eine Servus-Lawine, selbst im Sommer! Je dichter an der Grenze zu Tirol, desto urtümlicher der Klang der zwei Silben, und über der Grenze weicht das U flux dem A: aus Servus wird Servas. Zahlreiche weitere regionale Aussprachevariationen lassen gehörigen Spielraum bei der phonetischen Ausgestaltung: von Seas über Sewes bis hin zu nur noch entfernt verwandt klingenden Modifikationen (Sneas, Zias, Ziwas). Ja, selbst nach Kroatien (Serbus) oder Ungarn (Szervusz) hat es der Gruß geschafft!


Servus und sein Ursprung

Der Wortursprung lässt mich zweifeln, ob ich diesen weiterhin entgegenkommenden Wanderern unbedacht  zurufen möchte. Aus dem Lateinischen kommend (für „Sklave“, „Knecht“), stand Servus ehemals als Kurzform für „Ich bin dein Diener“ – und nun widerstrebt es mir, die Rücksäcke sämtlicher 243 Ross- und Buchsteinaspiranten auf den Gipfel zu hieven. Andererseits komme ich mir seltsam erhaben vor im Wissen, dass Servus unter den Adligen Altösterreichs und Bayerns weit verbreitet war. Ich entscheide also, den Gruß in meinem Sprachgebrauch zu belassen. Selbstverständlich neben dem allseits beliebten Griaß di (ein Gegrüßter) oder Griaß eich (mehrere Gegrüßte). Letzteres wird in Tirol rasch zum Griaß enk oder – noch bodenständiger – zum kernigen Griaß enkr, dessen Aussprache leichter über die Lippen geht, als es auf dem Papier den Anschein erweckt.

Griaß Enk! Foto Copyright: Philipp Irber
Griaß Enk! Foto Copyright: Philipp Irber

Na servus!

Vorsicht ist übrigens auch dann geboten, wenn vor dem Servus ein „Na“ geparkt wird. Nichts spricht dann mehr für einen freundschaftlichen Gruß; stattdessen ist die Floskel Zeichen missbilligenden Erstaunens.
Ein Freund von mir – er stammt aus Nordrhein-Westfalen – grüßt am Berg übrigens konsequent mit dem Seemannsgruß Moin moin. Nordrhein-Westfale grüßt friesisch in den Alpen. Weniger authentisch geht es nicht. Na servus!


Na, hat Euch die Kolumne getaugt? Dann lest gleich weiter und entdeckt hier Philipps Bergkosmos:

#1: »Spekulatius-Berge und Kokosmakronen-Gletscher. Weihnachtsgebäck im Wandergepäck«
#2: »Fantastische Bergnamen – ein Blick in die Welt der skurrilen und lustigen Gipfelnamen«
#3: »Das kleine Einmaleins alpiner Orientierung – Teil 1«
»Das kleine Einmaleins alpiner Orientierung – Teil 2«
#4: »Heiße Tipps für coole Touren – Hotspots in Vorarlberg«
#5: »Die schönsten Bänke deutschland- und alpenweit«
#6: »Alpine Neujahrsvorsätze 2023«
#7: »Mit dem Deutschlandticket auf Entdeckertour«

Autor

Philipp, gebürtiger Münchner, wohnt am Bodensee, dessen Größe er am liebsten von nahen Gipfeln aus der Vogelperspektive bestaunt. Er schwört darauf, dass mit einer Kombination aus Öffis, Radel und Wanderschuhen fast jeder Gipfel erreichbar ist – zumindest, wenn ein kraftspendender Nusszopf im Tourengepäck enthalten ist. In dieser Kolumne schildert er fortan in regelmäßiger Unregelmäßigkeit und mit einem Augenzwinkern seine Sicht auf die Bergwelt.

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