Was für eine Vielfalt! Nach zwei so spannenden Hochtouren-Wochen in den Süd- und Westalpen möchte ich das Erlebte unbedingt mit euch teilen. 4 absolut empfehlenswerte Touren stelle ich euch hier einzeln vor. Den Anfang macht das Vrenelisgärtli (2.904 m), eine leichte Hochtour für Einsteiger auf einen sagenumwobenen Schweizer Gipfel mit grandiosen Tiefblicken.

Es gibt viele Kriterien, nach denen man seine Tourenziele wählen kann. Diesmal lockten uns einfach die Namen: Nach einem Abstecher in den Nenzinger Himmel lag unser erstes Hochtourenziel im Glarnerland, unweit von Zürich: Das Vrenelisgärtli. So unglaublich blumenreich wie beide Touren waren, wäre auch das ein Auswahl-Kriterium gewesen. 😉

Die Sage vom Vrenelisgärtli

Mit „Garten“ allerdings hat der Gipfel des Vrenelisgärtli nichts mehr gemein. Der Sage nach (einer von vielen verschiedenen) hatte die übermütige Jungfrau Vreneli mit ihrem Plan, hoch oben auf dem Glärnisch einen Garten anzulegen, Gott zu sehr herausgefordert. Zur Belehrung wurden sie und ihre Blumen eingeschneit und unter Firn begraben. Wer weiß wie lange noch… der Firn schmilzt dahin, wie überall in den Alpen.

Hüttenaufstieg – ins Kuchenparadies

Norwegen? Fast! Start der Tour ist der idyllische Klöntalersee (848 m). Senkrecht fallen hier die Wände des Glärnischmassivs zum Ufer ab, überall stürzen sich Wasserfälle hinunter. Nachdem der Regen schon seine Spuren hinterlassen hatte, war die Uferstraße gesperrt. So müssen wir bereits am östlichen See-Ende zu Fuß starten. Unter Wasserfällen hindurch und mit so mancher Dusche von der Seite geht es 1,5 Stunden den schönen, aber doch langen Wanderweg am Südufer entlang. Am Westufer angekommen, sind wir schon erledigt – jetzt, wo der Aufstieg zur Hütte doch erst los geht!

Nach einer langen, teils steilen Schotterstraße wird man dann belohnt: Ein wunderschön grünes Hochtal mit einer Almsiedlung und unzähligen Wasserfällen empfängt einen. Eine weitere Steilstufe geht es durch die schönste Blumenwiese hinauf – eine bunte Vielfalt wie in einem Garten, sogar mit Feuerlilien. War Vreneli hier unten schon am Werk? In Serpentinen schlängelt sich der Weg durch das Blütenmeer hinauf, immer wieder von Bächen durchzogen. Noch ein paar Stufen, und wir stehen nach gut 1.140 Höhenmetern und etwa 4 Stunden (ab Ostufer) auf der Terrasse der Glärnischhütte (1.990 m).

Die Hütte liegt an der Grenze von Garten zu Felsen mit toller Aussicht. Den Nachmittag verbringen wir auf der Terrasse, der Hüttenwirt erweist sich als super sympathisch, setzt sich zu uns und erzählt so allerlei Geschichten. Die Atmosphäre ist entspannt – und die Hütte ein wahres Kuchenparadies!

Gipfel mit grandiosem Tiefblick

Wie auf den meisten Hochtouren-Hütten wird das Frühstück eingeteilt nach Gipfelaspiranten und Ausschläfern. So brechen alle zum Vrenelisgärtli etwa gleichzeitig im ersten Dämmerlicht auf. Erst etwas Fels und Geröll, dann ein langer flacher Gletscher und schließlich leichte Felsen und ein kurzer Grat – die Tour bietet alles und bleibt dabei kurz und leicht und macht mir richtig Spaß.

Das Allerschönste für mich ist dieser erhabene Moment, wenn kurz vor Sonnenaufgang vom Horizont her alles in magischen Farben von Violett bis Rosa zu Leuchten beginnt. Das erleben wir diesmal schon kurz nach Aufbruch und bleiben gebannt stehen. Im Morgenlicht geht es mit Steigeisen über den flachen Firn, wir gehen zwar angeseilt, aber noch ist alles schön hart. Am Ende des Firns sieht man einen Felsaufschwung und ich denke mit einer Mischung aus Genugtuung und Enttäuschung: Wow, schon da? Von wegen! Hier heißt es Steigeisen aus und über gut gestuften und nicht steilen Fels auf eine Kuppe. Hier beginnt überhaupt erst der schöne Felsgrat.

Ein Turm, der abgeklettert werden muss, ist klettersteigartig mit Ketten und Tritten bestens versichert – und gibt es eine Einbahnregelung mit getrennter Abstiegs- und Aufstiegsroute. So etwas habe ich noch nie gesehen! Aber es macht Sinn. Denn das Vrenelisgärtli ist – sicher auch dank der Nähe zu Zürich – recht beliebt. Weiter geht es recht flach und kaum ausgesetzt bis zum Gipfelaufschwung, wo man nochmal die Hände etwas hernehmen muss. Aber es ist nicht sehr ausgesetzt, do dass es mir Spaß macht. Und dann: was ist das? Ein Thron aus Stein mit Blitzableiter kürt den Gipfel – na das ist mal ein Ehrenplatz! Die Aussicht ist sagenhaft. Weiter vorne vom Gipfel blickt man über steile Wände tief hinunter ins Tal – auch hier soll eine Route durchgehen, kaum vorstellbar! Nichts für mich, definitiv 😉.

Vom Vrenelisgärtli zurück an den Klöntalersee

Im Glücksrausch bin ich noch voller Energie und wir überlegen, noch auf den Bächistock zu gehen. Eigentlich zuviel für den Tag, wir müssen schließen noch bis zum Ostufer des Klöntalersees runter. Aber von Neugier getrieben zweigen wir doch auf dem Gletscher nach links ab Richtung Grataufschwung. Im aufsteilenden Firn mühen wir uns bis unterhalb der Felsen, um dann allerdings festzustellen, dass der Grataufbau für mich wohl doch etwas zu ausgesetzte Kletterei wäre. Somit lassen wir die Vernunft siegen und stiegen gemütlich zur Hütte ab. Nach einer Rast im Liegestuhl unter Sonnenschirmen sind wir dann auch für den restlichen Abstieg bereit.

Persönliches Fazit & Ausklang mit Alphorn

Mein persönliches Fazit: Das Vrenelisgärtli bietet eine leichte und dabei äußerst abwechslungsreiche Hochtour. Kurz (2,5 Stunden ab Hütte), nicht zu anstrengend (knapp 1.000 Höhenmeter), ideal für Hochtouren-Anfänger (Schwierigkeitsgrad leicht), allerdings nichts für Einsamkeits-Suchende 😉. Eine kurzweilige Tour in wunderschöner Landschaft – vom bunten Garten geht es fast direkt in den Firn ohne die sonst ewigen Moränen-Mondlandschaften.

Und der krönende Abschluss: Ein Sprung in den Klöntalersee! Dazu Entspannung auf dem kleinen Campingplatz am Ostufer, und abendliche Alphornklänge über dem See – Idylle pur. Zuvor hatten wir noch eine freudige Überraschung: Es gab wieder Busverkehr auf der Uferstraße! Vom westlichen See-Ende ging es bis zur Straßensperre und ab da mit Boot weiter ans Ostufer – genial! Perfekt organisiert, die Öffis in der Schweiz. Alles in allem „tip top“!

Mehr Hochtouren

Weiter ging’s! Am Morgen danach regnete es in Strömen. Wir hatten Urlaub, die Wettervorhersage war deprimierend, aber wir ließen uns nicht entmutigen und das Wetter unsere weiteren Ziele bestimmen. So landeten wir bald in Italien, am berühmten Monviso, dann in Frankreich im Nationalpark Écrins und schließlich doch bei unserem ursprünglichen 4000er-Ziel: der Dent d’Hérens im Aostatal/Wallis. Nach den zwei Urlaubswochen fühlen wir uns bereichert wie nie, denn wir haben – ungeplant – ganz unterschiedliche Bergregionen kennengelernt.

Neugierig? Hier kannst du weiterlesen:

Tourentipps und genaue Wegbeschreibungen zu allen bekannten Hochtouren ebenso wie stilleren Routen findest du außerdem in den Rother Selection Bänden Hochtouren Ostalpen, Westalpen Band 1 und Westalpen Band 2. Von leicht bis schwer kann man sich hier in seiner eigenen Bergsteigerkarriere „hocharbeiten“, die Auswahl ist reichlich. Und wie ich finde: Die Qual lohnt sich immer wieder. 😉

Ich wünsche euch allen ebenso tolle, erfüllende Erlebnisse am Berg!
Eure Gesine, aus dem Rother Marketing

Autor

Gesine ist im Rother Bergverlag für das Marketing zuständig. In ihrer Freizeit ist sie leidenschaftlich in den Bergen unterwegs – am liebsten auf Hochtour oder in leichtem Kraxlgelände. Dabei mag sie es gern einsam und auch mal weglos; Winterräume und Zelt sind ihr lieber als Komfort-Hütten. Was nicht heißt, dass sie einem großen Stück Kuchen oder leckeren Schnitzel nach der Tour abgeneigt ist ;-). Und wenn es für einen Gipfel auch noch ins geliebte Italien geht, umso besser!

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